Versorgung am Lebensende: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit:


07.07.2022 - Rund jeder dritte innerhalb eines Jahres verstorbene AOK-Versicherte lebte in einem Pflegeheim. Deutlich mehr als die Hälfte davon wurde in den letzten zwölf Wochen vor dem Tod mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt. Das geht aus dem "Pflege-Report 2022" hervor, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) herausgegeben wird.

Beleuchtet wird darin u.a. die Versorgung am Lebensende in der Praxis von Pflegeheimen. Hier spielt die Verlegungsrate ins Krankenhaus eine große Rolle. Eine ergänzende Befragung von 550 Pflegefach- und Assistenzpersonen zeigt die Diskrepanz zwischen Versorgungswunsch und -wirklichkeit.

Der Report stellt dar: In den Jahren 2018 und 2019 wurden über die Hälfte aller Pflegeheimbewohner*innen innerhalb der zwölf Wochen vor ihrem Tod mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt. Im internationalen Vergleich ist das eine hohe Rate. Die Krankenhausaufenthalte verdichten sich kurz vor dem Lebensende: Jeder dritte Pflegeheimbewohnende befand sich 2018 und 2019 in seiner letzten Lebenswoche für mindestens einen Tag im Krankenhaus.

Die Pflegefach- und Assistenzkräfte bestätigen das. Unter ihnen erlebt jeder Fünfte monatlich oder häufiger, dass ein Heimbewohner am Lebensende ins Krankenhaus kommt, obwohl dies aus Sicht der Befragten nicht in seinem besten Interesse liegt. Die Mehrheit der Befragten will beobachtet haben, dass sich auf Druck der Angehörigen das Behandlungsteam für belastende beziehungsweise lebensverlängernde Maßnahmen entschied - und damit gegen den in der Patientenverfügung geäußerten Willen der Betroffenen.

Die Herausforderungen, die für Pflegefachpersonen bei der Versorgung und Begleitung von Menschen am Lebensende bestehen, werden verstärkt durch die angespannte Personalsituation. Dies macht die WIdO-Befragung an mehreren Stellen deutlich: Zwei Drittel der befragten Beschäftigten sehen die Personalausstattung als eher ungenügend an, um die anfallende Arbeit zu erledigen. “Der Anspruch eines würdevollen Sterbens im Heim darf aber nicht an fehlenden Ressourcen scheitern“, so Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.

Sie sieht in der stärkeren Integration der Hospizdienste in den Langzeitpflegeeinrichtungen die Chance, dass Menschen in Pflegeheimen und ihre Angehörigen in der letzten Phase gut begleitet werden können. Dazu gehören auch die Verbesserung der sektorenübergreifenden Prozesse und die Stärkung der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit. Ihre Forderung: „Palliativ-Kompetenzen von Ärzten und Pflegenden müssen weiterentwickelt, die interprofessionelle Zusammenarbeit intensiviert sowie ausreichend personelle Ressourcen bereitgestellt werden.“

Eine weitere Schwachstelle: das gesetzlich verankerte Advance Care Planning (ACP) im Leistungsrecht der GKV. "Das war politisch visionär, ist aber nur ein erster Schritt“, sagte Prof. Dr. Jürgen in der Schmitten, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Essen sowie Erster Vorsitzender von Advance Care Planning Deutschland e.V. Und weiter: In der Umsetzung würden sich erhebliche Schwachstellen zeigen wie beispielsweise fehlende Standards für die Qualifizierung der ACP-Gesprächsbegleiterinnen sowie bürokratische Vorgaben, die die Umsetzung erschweren. Auch eine Ausweitung von ACP auf vulnerable Patientinnen im ambulanten Bereich wäre geboten. Und noch ein Knackpunkt: Wie die an dieses Konzept anknüpfende Kassenleistung „Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase“ wirkt und in welchem Maße Pflegeheimbewohner*innen profitieren, ist nicht bekannt. Kollegin Reimann forderte deshalb: "Wir brauchen eine Evaluation zu Umsetzungsbarrieren und Wirkungen dieser Leistungen.“

Jacobs/Kuhlmey/Greß/Klauber/Schwinger (Hrsg.): Pflege-Report 2022. Schwerpunkt: Spezielle Versorgungslagen in der Langzeitpflege. Springer (Heidelberg), 42,79 Euro. ISBN: 978-3-662-65203-9

Auch kostenloser Download unter: www.wido.de



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