30. Bundeskongress: Der erste Tag
03.12.2025 - Der 30. Bundeskongress des DVLAB am 27. und 28. November 2025 in Berlin widmete sich dem Thema Neuausrichtung der Altenhilfe statt Leistungsabbau. Am ersten Tag ging es angesichts der demografiebedingten Entwicklung der Altenhilfe schwerpunktmäßig um die Zukunft der Pflegeversicherung – und damit um die Zukunft der Versorgung. Hier standen Konzepte, Reformideen und auch die Politik auf dem Prüfstand. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung vom ersten Kongresstag.
Peter Dürrmann: Einführung in den Kongress
Nach der Begrüßung durch den DVLAB Bundesvorsitzenden Peter Dürrmann stand der erste Kongresstag ganz im Zeichen der Zukunft der Langzeitpflege. Bei der Einführung in den Kongress erinnert Dürrmann an verschiedene Ansätze, mit denen Strukturreformen der Pflegeversicherung einst angedacht worden waren – etwa ihr Ausbau zur Vollversicherung oder zumindest der Sockel-Spitze-Tausch. Alles passé? Der DVLAB-Chef legt anhand von belastbaren Zahlen dar, dass die Pflegeversicherung heute gar kein Defizit hätte, wenn „die Probleme endlich dort gelöst werden, wo sie hingehören – aber nicht auf dem Rücken der Pflegeversicherung und der hier betroffenen Menschen. Und auch nicht zulasten der Hilfe zur Pflege und damit der Kommunen“. Dass nach 30 Jahren jedoch eine umfassende Finanz- und Strukturreform überfällig ist, zieht er nicht in Zweifel, schon allein wegen des demografischen Wandels und besorgniserregenden Fachkräftemangels.
▶︎ Hier der Eröffnungsvortrag von Peter Dürrmann
Dr. Georg Kippels: Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung für die Altenhilfe?
Anschließend ist der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Gesundheit eingeladen, die Zielsetzung der Bundesregierung für die Altenhilfe vorzustellen. Dr. Georg Kippels nennt den demografischen Wandel „die größte gesellschaftliche Transformation“, hält Reformen für „dringlich“ und verweist ansonsten auf den Koalitionsvertrag. Daraus ableitend habe die Bundesregierung zwei Gesetze sofort auf den Weg gebracht: die bundeseinheitliche Pflegefachassistenzausbildung und das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP, vormals: Pflegekompetenzgesetz). Eine weitere Regelung ist demnächst mit Fokus auf die Advance Practice Nurse (APN) zu erwarten. Den anstehenden Ergebnissen der derzeitig noch arbeitenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe wollte Kippels hingegen nicht vorgreifen.
▶︎ Hier demnächst eine Zusammenfassung des Vortrages von Dr. Kippels
Prof. Dr. Heinz Rothgang: Sicherstellung der pflegerischen Versorgung – was ist notwendig?
Der Gesundheitsökonom an der Universität Bremen ist auch Autor des jüngsten 3. Gutachtens zur „Alternativen Ausgestaltung der Pflegeversicherung“ im Auftrag der Initiative Pro-Pflegereform. Er stellt fest, dass Deutschland nicht viel Geld für die Langzeitpflege ausgibt – gerade mal 1,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Weitere Kostenersparnisse hält Rothgang für nicht möglich, „deshalb ist nur noch die Frage: Wer zahlt?“ Anhand der Eckpfeiler aus dem 3. Gutachten wird deutlich, dass dieser Vorschlag alle Ziele abdecken würde: Er begrenzt die Eigenanteile, wirkt der derzeitigen Beitragsentwicklung entgegen und ermöglicht Pflegebedürftigen eine sektorenfreie und bedarfsgerechte Unterstützung.
▶︎ Hier demnächst eine Zusammenfassung des Vortrages von Prof. Rothgang
Maria Becker: Auswirkungen neuer Gesetzgebung auf die Altenhilfe
Die Ministerialdirigentin leitet die Unterabteilung 42 „Pflegestärkung“ im Bundesgesundheitsministerium und widmet ihren Vortrag drei Schwerpunkten: dem „Zukunftspakt Pflege“, der Entwicklung der Pflegeberufe und der Fachkräftesicherung. Mit Blick auf die Bund-Länder-Arbeitsgruppe sei alles auf dem Prüfstand, sagt Maria Becker, die Finanzen der Pflegeversicherung ebenso wie die Versorgungsstruktur. Schließlich solle die künftige Reform die Pflege zukunfts- und generationenfest sowie im Leistungsbereich einfacher zugänglich machen und auch die häusliche Pflege stärken.
Im Verlauf ihres Vortrages spricht Maria Becker aber auch die von ihrem Ministerium geplante Pflegeberufebeteiligungsverordnung an. Diese dient der Beteiligung der maßgeblichen Organisationen der Pflegeberufe auf Bundesebene, monopolisiert in der jetzigen Fassung nach Ansicht des DVLAB aber den Deutschen Pflegerat (DPR). Deshalb hatte der Verband in seiner Stellungnahme den Referentenentwurf auch abgelehnt. Wörtlich positionierte er sich u.a. wie folgt: „Erkennbar ist es ein Ziel der Verordnung, eine hermetisch abgeschottete Monopolisierung der Teilhabechancen zugunsten einer einzigen Organisation zu schaffen. Die Vorgehensweise ist zutiefst undemokratisch, anti-pluralistisch und führt zu einer – verfassungswidrigen – heimlichen Verkammerung der Pflegeberufe sowie einer unverhältnismäßigen Ungleichbehandlung.“
Maria Becker indes sagt auf dem Bundeskongress noch einmal sehr deutlich, dass der Deutsche Pflegerat (DPR) die einzig maßgebliche Organisation im Sinne der Pflegeberufebeteiligungsverordnung sein soll.
▶︎ Hier demnächst eine Zusammenfassung des Vortrages von Maria Becker
Peter Dürrmann: Improvisierte Zwischenpräsentation
Weil es gerade zum Thema Pflegeberufebeteiligungsverordnung passt, erläutert der DVLAB-Chef für die Teilnehmer*innen noch einmal, dass die Positionen des DVLAB mit jenen des DPR insbesondere zu den Themen Generalistik und Pflegekammern nicht mehr vereinbar waren. Das führte letztlich zum Austritt des DVLAB aus dem Deutschen Pflegerat, der nicht für die Langzeitpflege spreche, so Dürrmann. Auch deshalb sieht er die Präferenz des Gesetzgebers, einzig den DPR als „maßgebliche Organisation der Pflegeberufe auf Bundesebene“ anzusehen und nur ihn an Normsetzungen zu beteiligen, äußerst kritisch – zumal der DPR jährlich auch noch mit einer namhaften Summe vom Bund gefördert wird und seine Unabhängigkeit damit infrage gestellt werden könne.
Angesichts dieser und weiterer Entwicklungen zieht der DVLAB zwei Konsequenzen, um das trägerunabhängige Wirken für die Langzeitpflege sicherzustellen:
• Erstens soll die im Jahr 2022 gegründete BundesAltenhilfeVertretung (BAV) jetzt wirksam mit Leben gefüllt und zur Stimme der Langzeitpflege weiterentwickelt werden. So kann die BAV künftig neben dem DPR ihre Rolle einnehmen. Hierbei will sich der DVLAB um die Koordination kümmern.
• Zweitens will sich der DVLAB mit hauptamtlichen Referent*innen professionalisieren, weil die vielfältigen Herausforderungen allein ehrenamtlich nicht mehr zu meistern sind. Für die dazu nötigen Mittel hat der Verband den Förderpool DVLAB 100 ins Leben gerufen – eine Fördermitgliedschaft für Einrichtungen, ambulante Dienste und Tagespflegen, deren Jahresbeitrag ausschließlich für die Hauptamtlichen und deren Wirken verwendet wird.
▶︎ Hier demnächst weitere Informationen zum Förderpool
Stephan Dzulko: PeBeM und Basispakete in geplanten neuen Wohnformen
Der Pflegeexperte stellt beide Bausteine in Spannung zueinander.
Ein geänderter Personalmix hin zu 40:30:30 kann zu mehr Personal führen – dann mit Zuwachs hauptsächlich bei Pflegeassistenten und Hilfskräften. Auch wenn die neue Personalbemessung nicht verbindlich ist, rät Dzulko den Kongressteilnehmer*innen dazu. Denn Personaleinsatz nach Kompetenz bringe die gesamte Organisationsentwicklung nach vorn. Allerdings hinterlasse der rasant steigende Bedarf an professionell Pflegenden trotzdem eine klaffende Lücke, zumal die generalistische Pflegeausbildung nicht zu mehr Personal geführt habe. Dann also Pflege unter Einbezug von Ehrenamtlichen sowie Angehörigen? Und das auch in neuen (teilstationären) Versorgungsformen mit gesichertem Grundpaket sowie Wahlleistungsangeboten? Möglich – aber das Ehrenamt in der pflegerischen Versorgung bindet auch nicht wenige Ressourcen. Und Heerscharen von Angehörigen sieht Dzulko ebenfalls nicht am Horizont, da fehlen die Anreize und entsprechende gesetzliche Reformen.
▶︎ Hier demnächst eine Zusammenfassung des Vortrages von Stephan Dzulko
Dr. Markus Plantholz: Sachstandsanalyse zu zentralen Reformvorschläge
Der Fachanwalt für Medizinrecht und Partner der nexus.rechtsanwälte (Hamburg) hat sich auf dem Bundeskongress die aktuellen Diskussionsstände zur Reform der Pflegeversicherung vorgenommen. Hier tummeln sich diverse und divergierende Ideen – von jenen der Bund-Länder-Arbeitsgruppen „Zukunftspakt Pflege“ und „Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“ sowie der Initiative Pro Pflege-Reform über jenen der Kommission des Deutschen Sozialgerichtstages und der KDA-„Reset“-Expert*innen bis hin zum Abschlussbericht des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg. Durch diese Vielfalt navigiert Markus Plantholz virtuos. Er zeigt zu den zentralen Reformthemen Eigenanteile, Sektorengrenzen, persönliche Budgets und Finanzierung der Pflegeversicherung Ideen und Vorschläge, Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf und bewertet diese aus jeweils fachlicher Sicht. Insbesondere fehlt ihm bei vielen genannten Ansätzen der Blick auf die Zusammenhänge und Folgen. Sein Fazit: „Da müssten mehr Praktiker*innen mit an den Tisch!“
▶︎ Hier demnächst eine Zusammenfassung des Vortrages von Dr. Markus Plantholz
Prof. Dr. Peter Udsching: Die Zukunft der Langzeitpflege bei begrenzten Ressourcen
Die Prominenz des ehemaligen Vorsitzenden Richters am Bundessozialgericht lässt sich an vielen Rollen und Aufgaben belegen, die Peter Udsching im Laufe seines Wirkens einnahm und -nimmt. Er erörtert auf dem Bundeskongress zunächst die vielschichtigen Problemlagen der Pflegeversicherung, um dann u.a. Stellung zu nehmen zu seiner zentralen Frage: Soll die Pflegeversicherung den Lebensstandard sichern? Darum ginge es hochaltrigen pflegebedürftigen Menschen gar nicht, so Udschings These, vielmehr sei ihnen vor allem eine menschenwürdige Versorgung wichtig. Aus seiner Sicht ist daher etwa der Vorschlag der Initiative Pro-Pflegereform, wie die Eigenanteile begrenzt werden sollten, viel zu niedrig. Zumal „menschenwürdige Pflege auch unter Bezug von Sozialhilfe stattfindet“, diese solle man bitte nicht schlechtreden.
▶︎ Hier demnächst eine Zusammenfassung des Vortrages von Prof. Dr. Peter Udsching
Podiumsdiskussion: Deutschlands soziale Sicherungssysteme sind nicht mehr zukunftsfähig
Es ist schon Tradition auf dem DVLAB Bundeskongress, dass am ersten Tag zu heißen Themen der Altenhilfe engagiert und teils auch strittig auf dem Podium diskutiert wird. Das Thema in diesem Jahr: Wie geht es weiter mit der Pflegeversicherung? Moderiert wird die Debatte von Peter Dürrmann.
Vier Menschen haben sich zu ihm auf die Bühne gewagt:
• Simone Borchardt ist Mitglied im Gesundheitsausschuss und Gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU Bundestagsfraktion. Auf die Bund-Länder-AG „Zukunftspakt Pflege“ angesprochen, in der sie ebenfalls mitwirkt, gibt sie ihren persönlichen Eindruck wieder: „Ich kann nicht erkennen, dass ein wirklicher Reformwillen da ist. Das macht mir Sorgen, zumal ich mir Reformwillen wünsche. Wären auch Praktiker*innen dabei, würden die Erkenntnisse in der AG wohl effektiver sein.“
• Simone Fischer ist auch Mitglied im Gesundheitsausschuss sowie Sprecherin für Pflegepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie sieht unter anderem die Verschiebung der Problemlösung in die AG kritisch und sagt: „Aus meiner Sicht haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Eine Reform der Pflegeversicherung dürfe sich jedenfalls nicht nur am Sparen ausrichten, sondern müsse fair und solidarisch sein. „Darauf drängen wir.“
• Prof. Dr. Heinz Rothgang stimmt als Verfasser des 3. Gutachtens zur „Alternativen Ausgestaltung der Pflegeversicherung“ zu und ergänzt: „Auch der Gedanke, man könne durch mehr Prävention sparen, ist falsch. Denn jeder wird im fortgeschrittenen Alter pflegebedürftig, da gibt es kein Entrinnen.“
• Dr. Markus Plantholz hatte als Experte des Sozialrechts bereits vorgetragen, dass ihm bei einigen Reformideen der Blick auf die Zusammenhänge und Folgen unzureichend erscheint. Er steigt u.a. beim Thema „Kommunale Bedarfsplanung“ in die Podiumsdiskussion ein, schließlich geht es aus seiner Sicht in Zusammenhang mit der Planung auch um die Steuerung vor Ort. „Aber dafür sind dann keine Mittel da.“
Das Foto zeigt die Teilnehmer*innen auf dem Podium (v.l.n.r.): Dr. Markus Pflanzholz, Prof. Dr. Heinz Rothgang, Peter Dürrmann, Simone Borchardt und Simone Fischer
▶︎ Hier demnächst eine Zusammenfassung der Podiumsdiskussion
zurück
DVLAB e.V.
Bahnhofsallee 16 | D-31134 Hildesheim
Telefon: 05121-2892872 | Telefax: 05121-2892879
E-Mail: info@dvlab.de
Impressum | Datenschutz
©
Admin
- 3960620 -

