Einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht: War doch verfassungswidrig?


05.09.2024 - Das Verwaltungsgericht Osnabrück will vom Bundesverfassungsgericht erneut prüfen lassen, ob die einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen Corona nicht doch verfassungswidrig war. Begründet wurde der Beschluss mit der Veröffentlichung der Protokolle des Covid-Krisenstabs.

Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück hatte vor wenigen Tagen das Klageverfahren einer Pflegehelferin mündlich verhandelt. Gegen diese hatte der Landkreis Osnabrück 2022 mangels Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot ausgesprochen, wogegen die Pflegehelferin klagte.

Dieses Verfahren setzte das Verwaltungsgericht nun aus. Die Kammer will es nun vielmehr dem Bundesverfassungsgericht vorlegen – mit der Frage, ob § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG, in der Fassung vom 18. März 2022) mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen ist. Insbesondere denkt das Verwaltungsgericht hier an Art. 2 Abs. 2 S. 1 (Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.) sowie Art. 12 Abs. 1 (Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.).

Die Kammer geht davon aus, dass eine verfassungskonforme Auslegung der Norm nicht möglich ist. So verletze die Norm das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Berufsfreiheit. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluss vom 27. April 2022 (1 BvR 2649/21) die Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Norm festgestellt. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Protokolle des COVID-19-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) sowie der in diesem Zusammenhang von der Kammer durchgeführten Zeugenvernehmung von RKI-Präsident Prof. Dr. Schaade sei die Unabhängigkeit der behördlichen Entscheidungsfindung in Frage zu stellen. Das RKI habe das Bundesministerium für Gesundheit auch von sich aus über neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung informieren müssen.

Weiter heißt es laut einer Presseerklärung des Verwaltungsgerichtes in seiner Begründung: Nach der Gesetzesbegründung sei "der Schutz vulnerabler Personen vor einer Ansteckung durch ungeimpftes Personal ein tragendes Motiv für die Einführung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Impfpflicht gewesen". Diese auf den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts beruhende Einschätzung werde "durch die nun veröffentlichten Protokolle des Instituts erschüttert". Der Gesetzgeber sei seiner Normbeobachtungspflicht nicht gerecht geworden. Da § 20a IfSG im Laufe des Jahres 2022 in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen sei, sei eine - erneute - Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erforderlich. Dem Verwaltungsgericht selbst komme keine Normverwerfungskompetenz zu.

Dieser Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück (3 A 224/22) ist unanfechtbar.

Quelle: Verwaltungsgericht Osnabrück

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