Finanzierung der Pflegeversicherung: Bringt der aktuelle Bericht die Politik weiter?


01.07.2024 - Eigentlich wollte die Bundesregierung den Bericht einer Expertengruppe zur zukunftssicheren Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung (SPV) bis Ende Mai vorlegen. Wie jetzt bekannt wurde, ist der Bericht nun da – allerdings offenbar ohne innovative Ansätze zu enthalten. Festgestellt wurde darin jedoch: Die künftige SPV müsse zusätzlich zu den heutigen Prinzipien auch generationengerecht, nachhaltig und demografiefest ausgestaltet sein.

Berechnungen belegen: Der Pflegeversicherung wird bereits in diesem Jahr das Geld ausgehen. Und das trotz Anhebung des Beitragssatzes durch das im Juli 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (PUEG). Eine mittel- oder gar langfristige Lösung war das ohnehin nicht – nur kommen die roten Zahlen jetzt noch schneller als gedacht.

Mit dem PUEG hatte die Bundesregierung bis Ende Mai 2024 Vorschläge für eine zukunftssichere Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung angekündigt. Darüber wurde es Ende Juni 2024. Die Pflegebranche ist sich allerdings einig: Vorschläge scheinen nun in der Welt zu sein – allerdings ohne neue Ansätze zu bieten.

Dazu berichtet background.tagesspiegel.de in seiner Rubrik Gesundheit & E-Health am 26. Juni von Darstellungen verschiedener Szenarien und möglichen Stellschrauben für Reformen im Bericht. Zugleich soll dieser einer ergänzenden, freiwilligen, paritätisch finanzierten Pflegevollversicherung eine klare Absage erteilt haben, weil das Ziel einer nachhaltig und generationengerecht finanzierten Absicherung des Pflegerisikos in einer alternden Gesellschaft, mit den Systemdimensionen der Freiwilligkeit, der paritätischen Finanzierung und der Vollversicherung nicht erreicht werden könne.

Daher seien – ausgehend vom Teilleistungscharakter und der Umlagefinanzierung des jetzigen Systems – im Bericht vier Grundszenarien für die konstitutive Ausgestaltung der SPV durchgespielt worden, so der Tagesspiegel:

Zwei Modelle richten sich auf den Erhalt des Teilleistungssystem,
• erstens wie bisher per Finanzierung durch Beiträge, Steuerzahler*innen und privaten Eigenleistungen (ggf. ergänzt durch freiwillige private Vorsorge);
• zweitens in Weiterentwicklung des Teilleistungssystems mit einer Begrenzung der Eigenleistungen durch eine verpflichtende, ergänzende individuelle Vorsorge.

Zwei weitere Modelle zielen quasi auf eine (weitgehende) Vollversicherung,
• erstens als umlagefinanziertes Teilleistungssystem, ergänzt durch einen aus Steuermitteln solidarisch verankerten Kapitalstock für jeden Versicherten,
• zweitens als rein durch Umlageverfahren finanzierte Vollversicherung (was vom Teilleistungssystem abweicht).

Der Tagesspiegel zitiert aus dem Bericht: "Demografiebedingt und abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird im Teilleistungssystem mit werterhaltender Dynamisierung für pflegebedürftige Menschen langfristig eine Finanzierungslücke von 0,5 bis 2,6 Beitragssatzpunkten, im Mittel von 1,4 Beitragssatzpunkten, entstehen." Der mittlere Wert entspreche in "heutigen Preisen" rund 24 Milliarden Euro. Eine umlagefinanzierte Pflegevollversicherung könnte laut Berechnungen des IGES-Instituts im Jahr 2060 bis zu 250 Milliarden Euro kosten.

Entscheidend wird jetzt sein, welchen Absicherungsumfang die Politik präferieren wird und ob sie doch noch den Mut für eine umfassende Reform aufzubringen vermag. Nicht wenige aus der Pflegebranche fürchten jedoch, dass weiterhin nichts geschehen wird.

Den DVLAB Bundesvorsitzenden Peter Dürrmann erfüllt es jedenfalls mit größter Besorgnis, "dass bei den politisch Verantwortlichen in der Ampel-Koalition offenkundig keine erkennbare Absicht besteht, die dringend benötigte umfassende Strukturreform der Pflegeversicherung in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Die irritierenden Aussagen des Gesundheitsministers, der der notwendigen Reform aufgrund von Differenzen in der Koalition keine Chance einräumt, lassen keinen anderen Rückschluss zu." Dabei würde die Gesellschaft aktuell erst am Beginn der demografiebedingten Auswirkungen stehen. Diese reichten aber schon jetzt aus, um zu erheblichen Beeinträchtigungen und Mängeln bei der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen zu führen und die Leistungsanbieter wirtschaftlich enorm unter Druck zu setzen. "Das gravierende Problem des demografiebedingten, dauerhaft strukturellen Arbeitskräftemangels sowie des Abnehmens der familiären Pflege bei einer gleichzeitig überalternden Gesellschaft kann und darf nicht länger verdrängt werden: "Es benötigt JETZT eine umfassende Reform der Pflege- und Krankenversicherung! Und wir brauchen ein konsistentes fach- und sachgerechtes Gesamtkonzeptes, das auch in Zukunft trägt."

VdK-Präsidentin Verena Bentele schätzt, dass mit dem Expertenrat, der das Papier erarbeitet hat, nur auf Zeit gespielt worden sei. Sie fordert "eine Zusammenlegung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Alle Einkunftsarten müssen in die Beitragsrechnung einbezogen werden. Zudem ist ein Steuerzuschuss zur Pflegeversicherung in der Höhe der versicherungsfremden Leistungen nötig. Für Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen sollte es Freibeträge geben". Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege, sagte, anstatt weiter über die Finanzierung zu streiten, müssten sich die Bundes- und Landesregierungen gemeinsam mit der Pflegebranche auf ein tragfähiges Versorgungskonzept verständigen und die Versorgungskrise in der Altenpflege lösen".

























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