Umsetzung der neuen Pflegeausbildungen: Ergebnisse der ersten Erhebungswelle


30.04.2024 - Im Rahmen des BIBB-Pflegepanels finden seit 2022 jährliche Erhebungswellen unter Ausbildungseinrichtungen, Pflegeschulen und Hochschulen statt. Damit ermöglicht das BIBB-Pflegepanel sowohl eine systematische Langzeitbeobachtung des Ausbildungsgeschehens in der Pflege als auch die Abbildung aktueller Themen. Nun sind die Ergebnisse aus der ersten Erhebungswelle 2022/2023 veröffentlicht worden.

Die Ergebnisse fassen die Autor*innen Claudia Hofrat, Michael Meng und Lena Dorin unter sieben Schlaglichtern zusammen.

Viele Ausbildungsmöglichkeiten in der beruflichen und hochschulischen Pflegeausbildung bleiben ungenutzt

Im Bereich der beruflichen Pflegeausbildung
• wurden 28 Prozent der zur Verfügung stehenden Schulplätze im Jahr 2022 nicht genutzt. Hier stand das Angebot von 62.480 Schulplätze bei 899 befragten Pflegeschulen bundesweit zur Verfügung. Von diesen konnten jedoch nur 45.021 Plätze besetzt werden. Das ergibt eine Auslastungsquote von 72 Prozent. Lediglich 21 Prozent der befragten Schulen gaben für 2022 an, ihre Plätze voll besetzt zu haben.
• Auch das Angebot an Ausbildungsplätzen in Ausbildungseinrichtungen überstieg 2022 die Nachfrage: Hier wurden 40 Prozent der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze nicht genutzt. Nur 27 Prozent der Einrichtungen gaben an, ihre Plätze in 2022 voll besetzt zu haben.

Über alle Einrichtungen hinweg wurden 2022 mehr als 24.000 Auszubildende neu eingestellt. Davon entfielen knapp 13.200 neue Auszubildende auf Krankenhäuser, etwas weniger als 7.000 auf Pflegeheime und knapp 2.400 auf Pflegedienste.

In der hochschulischen Pflegeausbildung
übertraf das Ausbildungsangebot ebenfalls die Nachfrage: 2.122 Studienplätze standen 2022 zur Verfügung, 1.217 Studierende haben sich immatrikuliert. Dennoch ist die Akademisierungsquote von 2021 bis 2022 jeweils angestiegen – wobei die Autor*innen diesen Anstieg vor allem auf den Rückgang der Ausbildungseintritte in 2022 zurückführen.

Bereitstellung von Praxiseinsatzplätzen bereitet wenige Probleme mit Ausnahme pädiatrischer und psychiatrischer Versorgung

Die befragten Ausbildungseinrichtungen (n=5.117) haben kaum Probleme, für ihre Auszubildenden genügend Praxiseinsatzplätze bereitzustellen. Nicht einmal 17 Prozent äußerten diesbezüglich Schwierigkeiten – und wenn, dann vornehmlich in der pädiatrischen und psychiatrischen Versorgung. Davon sind vor allem Pflegeheime und Pflegedienste betroffen.

Pflegeschulen haben im Ausbildungsgeschehen eine starke Rolle

Fast alle der befragten Schulen (98,6 %) haben angeben, dass sie für eine oder mehrere Ausbildungseinrichtungen Aufgaben wahrnehmen. Besonders häufig übernehmen die Pflegeschulen die Erstellung der Ausbildungspläne sowie – sicherlich auch damit einhergehend – die Organisation und Planung der praktischen Ausbildung. Zu einem großen Teil schließen sie zudem auch stellvertretend für die Ausbildungseinrichtungen Kooperationsverträge mit weiteren an der Ausbildung beteiligten Einrichtungen ab. Auch im Kontext des Bewerbungsmanagements sind die Pflegeschulen mehrheitlich tätig, indem sie Auszubildende rekrutieren und Bewerbungsverfahren durchführen. Fast ein Drittel der Pflegeschulen schließen zu- dem Ausbildungsverträge stellvertretend für die Träger der praktischen Ausbildung ab. Auch bei der Schulung von Praxisanleitenden sind mehr als zwei Drittel der Schulen aktiv.

Erwartungsgemäß geben Schulen in Trägeridentität deutlich öfter an, Aufgaben der Ausbildungseinrichtung zu übernehmen als Pflegeschulen ohne Trägeridentität. Umgekehrt verhält es sich bei der Aufgabe der Schulung, Weiterbildung und Qualifizierung von Praxisanleitenden: Hier geben tendenziell eher Schulen außerhalb einer Trägeridentität an, diese zu übernehmen.

Erstmalige Ausübung des Wahlrechts: Deutlich unter
50 Prozent der Wahlberechtigten bevorzugen spezialisierte Berufsbezeichnungen


Weit weniger als die Hälfte der Auszubildenden machen Gebrauch von ihrem Wahlrecht, sich jeweils für einen Abschluss in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege oder der Altenpflege zu entscheiden.

Im Jahr 2020 waren maximal 41,7 Prozent aller Auszubildenden aufgrund ihres zuvor gewählten Vertiefungseinsatzes überhaupt wahlberechtigt. Von ihnen haben mit Vertiefungseinsatz in der Pädiatrie schließlich maximal 21,8 Prozent den Abschluss Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger*in gewählt. Maximal 18,7 Prozent der wahlberechtigten Auszubildenden mit Vertiefungseinsatz in der Altenpflege haben sich dann für den Abschluss Altenpflegerin bzw. Altenpfleger entschieden.

Bewertung der beruflichen Ausbildung ist im Zeitverlauf kritischer geworden

Im Vergleich der Erhebungen 2020/2021 und 2022/2023 wird deutlich, dass einige Aspekte der beruflichen Ausbildung kritischer bewertet werden. Sowohl die befragten Pflegeschulen als auch die Ausbildungseinrichtungen stimmten den Aussagen deutlich seltener zu, dass die Professionalisierung des Berufsbereichs vorangebracht werde und die Pflegeausbildung einen Attraktivitätszugewinn erfahre.

Weiterhin positiv werden von den Pflegeschulen und Ausbildungseinrichtungen die Flexibilität im späteren Berufsleben und die internationale Anschlussfähigkeit bewertet. Ferner bescheinigen sie der aktuellen Pflegeausbildung unverändert eine Zunahme des Koordinationsaufwands und anspruchsvollere Ausbildungsinhalte.

Herausforderungen: Geeigneter Bewerbende finden, Lehrpersonal akquirieren sowie die unterschiedliche Vorbildung der Lernenden

Zunächst die gute Nachricht: Die befragten Einrichtungen bewerten mittlerweile eine Aspekte als deutlich weniger herausfordernd. Dazu gehören u.a. „Finden geeigneter Kooperationspartner zur Durchführung der praktischen Ausbildung“ ebenso wie die „Entwicklung der Ausbildungspläne“ und die „Qualifizierung der Praxisanleitenden“. Ebenfalls habe sich die „Sicherstellung des Wahlrechts“ verbessert.

Als deutlich problematischer wird das „Finden geeigneter Bewerbender“ wahrgenommen. Unter den befragten Pflegeschulen zeigt sich – anders als bei den Ausbildungseirichtungen – im Zeitverlauf der Erhebungen, dass fast alle abgefragten Aspekte inzwischen kritischer beurteilt werden. Dies betrifft insbesondere die Punkte „Unterschiedliche Vorbildung der Lernenden in den Kursen“ und die „Gestaltung und Prüfung der Ausbildungsnachweise“.

Die größten Unterstützungsbedarfe verorten die Pflegeschulen in der Akquise von Lehrpersonal, der Förderung unterstützungsbedürftiger Lernender und der Prüfungsgestaltung. Besonders die Probleme beim Finden von Lehrpersonal sowie die Herausforderung, unterstützungsbedürftige Lernende zu erkennen und entsprechend zu fördern, werden im Zeitverlauf als dringlicher bewertet.

Gesetzliche Begrifflichkeiten und neue Ausbildungsstruktur noch nicht flächendeckend bekannt

Bemerkenswert, das die Autor*innen in der Zusammenfassung schreiben: "In der Befragung haben sich an verschiedenen Stellen Hinweise darauf ergeben, dass die sich aus dem PflBG und der daraus hervorgehenden Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrV) resultierende Ausbildungsstruktur und dazugehörige Begrifflichkeiten noch nicht in der gesamten Ausbildungslandschaft etabliert haben." Dieser Eindruck sei in erster Linie unter den befragten Ausbildungseinrichtungen entstanden, darunter vor allem unter kleineren Einrichtungen und vermehrt Pflegediensten. "Deutlich wurde diese Tendenz u. a. an dem Begriff des Vertiefungseinsatzes, welcher nicht selten als Funktionsbereich missverstanden und somit nicht als Teil des Ausbildungsvertrages mit der dazugehörigen Bedeutung für die Ausbildung verstanden wurde." Zudem habe es auf die Frage nach der Art der angebotenen Vertiefungseinsätze teils unerwartete Antworten gab. Zum Beispiel habe dazu ein nicht unerheblicher Anteil der befragten Pflegeheime und Pflegedienste angeben, Vertiefungseinsätze in der stationären Akutpflege anzubieten.

Aus diesen und weiteren Antwortverteilungen ergibt sich laut den Autor*innen ein Hinweis darauf, dass der Begriff des Vertiefungsein- satzes bzw. dessen Bedeutung nach PflBG womöglich zum Zeitpunkt der Befragung nicht bei allen Teilnehmenden vorausgesetzt werden konnte.

HINTERGRUND: DAS BIBB-PFLEGEPANEL

Zur systematischen Langzeitbeobachtung des Qualifizierungsgeschehens in der Pflege wurde das BIBB-Pflegepanel durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Zusammenarbeit mit dem Umfragezentrum Bonn (uzbonn GmbH) aufgebaut. Befragt werden für die Pflegeausbildung zuständige Personen aus Ausbildungseinrichtungen, Pflegeschulen und Hochschulen.

Von den 6.068 Ansprechpersonen im BIBB-Pflegepanel kommen

▶ 902 aus Pflegeschulen,

▶ 5.117 aus Ausbildungseinrichtungen, und davon:
– 561 aus Krankenhäusern,
– 2.662 aus Pflegeheimen,
– 1.763 aus ambulanten Pflegediensten,
– 131 aus übergeordneten Einrichtungen mit mehreren Heimen, Diensten und/oder Krankenhäusern,

▶ 49 aus Hochschulen, wovon 29 primärqualifizierend sind.

Hinsichtlich der Zusammensetzung des BIBB-Pflegepanels konstatiert das Autorenteam, dass die Vielfältigkeit der Pflegeausbildung in den Befragungen adäquat abgebildet sei.

Claudia Hofrat/Michael Meng/Lena Dorin: Monitoring zur Umsetzung der Pflegeausbildungen. Ergebnisse der ersten Erhebungswelle 2022/2023 aus dem BIBB-Pflegepanel. Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.), Bonn, März 2024


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