QuartierPflege: Im Kleinen zeigen, dass es auch im Großen funktioniert


21.03.2024 - Der DVLAB weist ständig auf die wachsende Personalnot in der Langzeitversorgung pflegebedürftiger Menschen hin. Auch angesichts der Verrentungswelle der Baby-Boomer, die jetzt ansteht, fordert der DVLAB einen grundsätzlichen Umbau der Altenhilfe. Dafür zwingend nötig: die Aufhebung der Sektorengrenzen, eine individuelle Bedarfsprüfung bei Pflegebedürftigen, die Einführung eines persönlichen Budgets für sie sowie ihre Versorgung nur noch in der eigenen Häuslichkeit. Außerdem ist der Verband davon überzeugt: Versorgungssicherheit kann künftig nur noch unter Einbindung der Familie und der Zivilgesellschaft in die Begleitung und Pflege erhalten werden.

Dieser Überzeugung ist auch die Gesellschaft für Gemeinsinn e.V. mit Sitz in Leipzig. Sie hat die Versorgung von Pflegebedürftigen neu gedacht und dafür ihr Konzept der QuartierPflege entwickelt. Die Grundidee: Im lokalen Lebensumfeld von Pflegebedürftigen wird ein Netzwerk aus Angehörigen und Nachbar*innen geknüpft, die sich je nach Tätigkeit ehrenamtlich, in Teilzeit oder in Vollzeit, angestellt oder freiberuflich in der Versorgung engagieren. Dabei geht es um hauswirtschaftliche Unterstützung, um Fürsorge und Begleitung – und auch um einfache Grundpflege. Einmal im Monat etwas vorlesen wäre demzufolge ein Ehrenamt, dreimal in der Woche einkaufen, kochen oder bei der Körperpflege helfen wären Tätigkeiten, die regulär zu entlohnen sind.

Das Konstrukt

Pro pflegebedürftige Person entlastet ein Netzwerk aus drei bis sechs Nachbar*innen die pflegenden Angehörigen. Die Helfer*innen erhalten kurze modulare Schulungen und werden von hauptamtlichem Personal (sogenannten Fallmanager*innen) koordiniert und fachlich begleitet. Etwaig benötigte professionelle Pflegekräfte bringen sich punktuell mit anspruchsvollen pflegerischen Tätigkeiten ergänzend ein.

Ein Pilotprojekt nach diesem Prinzip läuft bereits seit 2022 in Leipzig in zwei Kleinquartieren. Dort sollen insgesamt 100 Pflegebedürftigen über ein gesteuertes und angeleitetes Nachbarschaftsnetzwerk von 300 bis 500 Nachbar*innen unterstützt werden, die Sorge-, Hauswirtschafts- und Grundpflegeleistungen erbringen. Im Kern handelt es sich also um einen ambulanten Pflegedienst aus Nachbarinnen, Nachbarn und Angehörigen, die in Teilzeit oder Vollzeit angestellt sind und aus Mitteln der Pflegeversicherung (Pflegesachleistung ambulant) bezahlt werden. Langfristig werden die Leistungen also über die bestehenden Leistungskomplexe der Pflegeversicherung abgerechnet.

Jetzt auch in Landsberg am Lech

Nach diesem Prinzip startet nun in diesem Frühjahr 2024 eine weitere QuartierPflege im bayerischen Landsberg am Lech, zunächst im dörflichen Ortsteil Erpfting. Dort soll der zu gründende ambulante Pflegedienst in kommunaler Trägerschaft des Landkreises kleinräumig pflegerisch wirken, so haben es der Kreisausschuss und der Stadtrat beschlossen und auch Mittel dafür bereitgestellt. Nach einer Anlaufphase von drei bis fünf Jahren soll sich das Projekt dann selbst tragen bzw. die Personalkosten aus Mitteln der Pflegeversicherung refinanziert werden. Nach Überzeugung von Florian Kiel, Vorstand der Gesellschaft für Gemeinsinn, wird es gelingen, mit der Pflegeversicherung einen Versorgungsvertrag abzuschließen.

Hauptzielgruppe bleiben Menschen mit Pflegebedarf im Sinne der Pflegeversicherung. Auch in Landsberg haben Betroffene Probleme, einen professionellen ambulanten Pflegedienst oder ein Platz im Heim für sich zu finden. Nicht wenige werden abgelehnt, wie die Kommune berichtet.

Aber auch Personen ohne Pflegegrad, aber bereits mit Unterstützungsbedarf, dürften vom Ansatz einer solchen QuartierPflege profitieren. Mögliche Leistungen wie beispielsweise haushaltsnahe Dienstleitungen müssen sie zwar selbst zahlen, aber der Ausbau vorhandener Strukturen und Angebote könnte auch ihnen zugutekommen.

Große Ziele

Der teilweisen Skepsis, dass sich für die kleinräumige QuartierPflege gar nicht genug aktive MitstreiterInnen werden finden lassen, treten die Konzeptentwickler energisch entgegen. Und das vor allem mit dem Argument, dass die Rahmenbedingungen anders, nämlich neu seien: Die Einbindung von Angehörigen und Nachbar*innen geschehe nicht mehr rein ehrenamtlich, sondern ganz überwiegend bezahlt.

Das Pilotprojekt in Landsberg ist bis 2028 angelegt. Die Gesellschaft für Gemeinsinn will auch dort im Kleinen zeigen, dass QuartierPflege als neues, tragfähiges Konzept funktionieren kann. Ihr weiteres Ziel ist, sie deutschlandweit mit stabilen Strukturen zu etablieren.

Das Foto (Wikipedia/Thomas Springer) zeigt die Hauptstraße in Erpfting.


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