Prof. Heinz Rothgang: „Ohne private Anbieter geht es nicht“


07.02.2023 - Die Pflegeunternehmen Curata und Convivo sind insolvent. Und nicht die einzigen in der Langzeitpflege mit massiven Finanzproblemen. Zur Lage der Altenpflege hat sich auch Prof. Dr. Heinz Rothgang (Foto) in den Medien jetzt verstärkt zu Wort gemeldet.

Rothgang, Gesundheitsökonom an der Universität Bremen, war in den letzten Tagen ein auch medial gefragter Mann. Denn er gilt als absoluter Experte, wenn es um die Langzeitpflege geht. So hat er z.B. das neue Personalbemessungssystem entwickelt, das ab Sommer 2023 in der stationären Pflege bundesweit zur einheitlichen Grundlage werden soll. Es setzt auf einrichtungsindividuelle Ermittlung des Personalbedarfs sowie auf qualifikationsgemixte Teams, die von Pflegefachkräften geführt werden.

Rothgangs Aussagen, u.a. in einem Interview, das er Radio Bremen für die Sendung „buten un binnen“ gab, münden in einer nüchternen Feststellung: Die Langzeitpflege befindet sich definitiv in einer krisenhaften Situation. Aktuell ist die Lage so schlimm wie seit 20 Jahren nicht mehr. Mit drückenden Problemen.

• Nicht nur große Ketten wie Convivo, sondern auch Einrichtungen, die zu den besten gehören, gehen finanziell in die Knie gehen.

• Die Eigenanteile mit derzeit monatlich im Schnitt rund 2.500 Euro überforden die Bewohner*innen. Und die Zuschüsse aus der Pflegeversicherung, die in Abhängigkeit von der Verweildauer im Heim gezahlt werden, reichen hinten und vorne nicht. Außerdem nannte Rothgang sie eine „Ungleichverteilung“. Tatsächlich profitieren davon nur jene Menschen, die drei oder vier Jahre im Heim verbleiben. Die meisten ereilt der Tod jedoch früher.

• Die Versorgung pflegebedürftiger Menschen durch Angehörige ist nach Rothgangs Einschätzung nicht ausbaufähig. Auch deshalb wird die Pflege für die Betroffenen immer teurer. Und es werden immer mehr pflegebedürftige Menschen.

• Angesichts der Insolvenzen großer Ketten ist am Gewinnstreben privater Anbieter heftige Kritik aufgekommen. Die Pflege kann laut Rothgang auf private Anbieter jedoch nicht verzichten. Im ambulanten Bereichen würden sie über die Hälfte der Anbieter stellen, im stationären Bereich seien es knapp die Hälfte. „Es ist nicht möglich, dass diese Infrastruktur kommunal aufrechterhalten wird“, so der Forscher. In der Gewinnorientierung großer Ketten sieht er allerdings ein Problem.

• Das größte Problem der Langzeitpflege verortet er in der Personalnot. Zwar haben viele Pflegende während der Pandemie ihren Beruf doch nicht verlassen. Aber nun verließen viele nach der Pandemie ihren Job – aufgrund der Zustände in der Pflege sowie einer gewissen Erschöpfung. Hinzu tritt die massenhafte Verrentung der „Baby-Boomer“. Deshalb sieht der Forscher es in der aktuellen Situation als „sinnvoll und notwendig“ an, Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben. Vorrausgesetzt, dass dadurch nicht das dort heimische Gesundheitssystem zusammenbricht. Rothgang empfiehlt, auch gezielt nach Assistenzkräften zu suchen. „Sie helfen der professionellen Pflege in Deutschland kurz- und mittelfristig.“

Perspektivisch setzt Rothgang in der stationären Pflege auf das neue Personalsystem und die geforderten 115.000 Vollzeitstellen mehr – hauptsächlich im Assistenzbereich. Dann könnten die Fachkräfte sich auf Tätigkeiten konzentrieren, die ihrer Kompetenz und Qualifikation entsprechen.

Ein ganz wichtiger Punkt ist für Rothgang auch eine umfassende Finanz- und Strukturreform der Pflegeversicherung. Hierfür kämpft er gemeinsam mit der Initiative Pro-Pflegereform und dem DVLAB.


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