Studie: Was denkt Deutschland über "das Alter"?


15.12.2022 - Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat im Jahr 2022 die Studie „Ageismus – Altersbilder und Altersdiskriminierung in Deutschland“ durchführen lassen. Damit sollte eine fundierte Datengrundlage zu Vorstellungen, Einstellungen und Bewertungen der Bevölkerung in Deutschland in Bezug auf alte Menschen und die Lebensphase Alter geschaffen werden. Hier einige Ergebnisse:

▶︎ Menschen werden früh als „alt“ angesehen
Die bevölkerungsrepräsentative Befragung erfolgte unter 2.000 Personen. Sie wurden z.B. gefragt, ab wann Menschen in unserer Gesellschaft als "alt" wahrgenommen werden (gesellschaftliche Altersgrenze). Am häufigsten (27 Prozent) wurde hier als Grenze 60 Jahren angegeben, im Durchschnitt die gesellschaftliche Altersgrenze bei 61 Jahren gesehen.

▶︎ Wenig Wissen über ältere Menschen vorhanden
Zunächst überschätzte die Mehrheit der Befragten den Anteil der Menschen ü70 in Deutschland (18,2 Prozent in 2021) relativ deutlich. Nur ein Fünftel näherte sich dem richtigen Wert an.
Noch deutlicher - nämlich von 81 Prozent der Befragten – wurde der Prozentsatz von in Pflegeheimen lebenden Menschen über 70 Jahren überschätzt. Tatsächlich sind das etwa 6 Prozent, aber diese Zahl schätzten annähernd nur 17 Prozent der Befragten.
Ebenso überschätzten 44 Prozent der Befragten die Häufigkeit schwerer Depressionen bei alten Menschen. Gefragt wurde, ob alte Menschen ihrer Meinung nach häufiger, genauso oft oder seltener daran erkranken als junge Menschen. Viele antworteten mit "häufiger", was nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen jedoch nicht zutrifft.

▶︎ Ambivalenter Blick auf ältere Menschen und die Lebensphase Alter
Die „Bilder in den Köpfen“ der Befragten über alte Menschen unterscheiden sich teils stark. Dies hängt auch vom Alter der Befragten ab. Die größten Unterschiede bestehen zwischen die größten Unterschiede in den Ergebnissen zwischen jungen Erwachsenen und alten bzw. sehr alten Menschen. Einerseits stimmten alle Altersgruppen (eher) zu, dass die meisten alten Menschen durch gesundheitliche Probleme im Alltag stark eingeschränkt seien (69 Prozent), einsam seien (66 Prozent) und sich nicht mehr auf Veränderungen einstellen könnten und daher Jüngeren unterlegen seien (58 Prozent). Andererseits gibt es mehrheitlich weiterhin das klassische positive Altersstereotyp der Weisheit und Gelassenheit. Zudem scheint gleichzeitig die mittlerweile häufig propagierte Botschaft der Potenziale im Alter als „neues“ Altersbild in den Köpfen angekommen zu sein.
Gut Hälfte der Befragten geht jedoch davon aus, dass es sich beim "Alter" um die schwerste Phase im Lebenslauf handelt und knapp die Hälfte, dass diese durch weniger Lebensqualität gekennzeichnet ist . Gleichzeitig sind 73 Prozent aber der Auffassung, dass das Alter gestaltbar ist, und ebenso viele betrachten das höhere Lebensalter als Phase der Weisheit und Gelassenheit.
Die Autorinnen folgern daraus, dass alten und vor allem sehr alten Menschen bei der Produktion gesellschaftlicher Narrative über das Alter(n) eine Stimme gegeben werden muss.

▶︎ Die ältere Generation wird von vielen als Blockierer wahrgenommen
Ein beachtlicher Teil der Befragten sieht die alte Generation als Verhinderer notwendiger gesellschaftlicher und politischer Veränderungen an – bei gleichzeitiger starker politischer Machtkonzentration.
Über die Hälfte lehnten die Aussage „Alte Menschen tragen zum Fortschritt unserer Gesellschaft entscheidend bei“ ab. 40 Prozent sehen junge Menschen von alten Menschen bei der Bewältigung des Klimawandels im Stich gelassen. Unter jungen Befragten ist dieser Wert noch höher. Die Hälfte der Befragten finden, dass alte Menschen mehr politischen Einfluss hätten als junge.

▶︎ Ein Drittel der Befragten erwartet von Älteren, wichtige Positionen aufzugeben
Eine sehr große Mehrheit findet jeweils, dass alte Menschen körperlich und insbesondere geistig aktiv sowie auf dem Laufenden über neue Technologien bleiben und zum Wohl der Gesellschaft beitragen sollten. Diese Erwartung birgt allerdings die Gefahr die Gefahr, dass es im Fall unzureichender Befolgung durch alte Menschen (sei es wegen Unvermögen oder Unwillen) zu Kritik oder gar Sanktionen oder Ausgrenzung kommt.
41 Prozent stimmten zu, dass sich alte Menschen mit ihrem Alter abfinden und nicht versuchen sollten, jung zu wirken. Und immerhin fast ein Drittel ist der Meinung, dass alte Menschen normalerweise Platz machen sollten für die jüngere Generation, indem sie wichtige berufliche und gesellschaftliche Rollen aufgeben.

▶︎ Handlungsempfehlungen
In diesem Kapitel schreiben die Autorinnen: "Die Wirkmacht von negativen Altersstereotypen und ihr potenzieller Einfluss auf altersdiskriminierendes Verhalten sind der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus vielen Beratungsanfragen zu Altersdiskriminierung bekannt." Sie empfehlen, dass öffentliche, zivilgesellschaftliche und privatwirtschaftliche Institutionen Angebote machen sollen, die differenzierte und vielseitigere Altersbilder fördern. "Die Angebote sollten niedrigschwellig und zielgruppenspezifisch ausgerichtet sein." Das können beispielsweise Bildungsangeboten im Bereich des individuellen und gesellschaftlichen Alterns zu Themen wie Gesundheitsvorsorge im Alter, selbstbestimmtem Leben bei Krankheit und Pflegebedarf oder demografischen Veränderungen sein.
Zudem empfehlen die Autorinnen Kampagnen zur Sensibilisierung von Menschen für eigene altersdiskriminierende Verhaltenstendenzen einerseits sowie zur Förderung des Bewusstseins für Ageismus andererseits. Darüber hinaus plädieren sie, Räume des Austausches zu schaffen, in denen Menschen in der zweiten Lebenshälfte ihr eigenes Alterserleben reflektieren und planen können. Zusätzlich sollte es Möglichkeiten geben, generationenübergreifend über wahrgenommene Ungleichheiten zwischen Altersgruppen beziehungsweise Generationen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene zu sprechen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat sich diesen Empfehlungen, die auf eine Veränderung von individuellen Altersbildern sowie auf die Bekämpfung von Ageismus abzielen, ausdrücklich angeschlossen.

Die Studie wurde von Prof. Dr. Eva-Marie Kessler und Prof. Dr. Lisa Marie Warner (Medical School Berlin) durchgeführt

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