Pflegekammer Rheinland-Pfalz: Seltsames Gebaren gerichtlich festgestellt


02.12.2022 - Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz wurde 2015 errichtet. Sie ist in Deutschland derzeit die einzige ihrer Art. Und hat über Jahre sehr seltsames Gebaren an den Tag gelegt. Diesem Verhalten gebot das Verwaltungsgericht Koblenz nun Einhalt.

Was ist passiert?
Viele Mitglieder der rheinland-pfälzischen Pflegekammer hatten gegen die Beitragsbescheide aus den Jahren 2016 bis 2019 geklagt. Das Verwaltungsgericht Koblenz musste also primär prüfen, ob die Höhe der Zwangsbeiträge mit dem Kostendeckungsprinzip und Mittelbedarf der Kammer in Einklang stand. Insbesondere der Mittelbedarf müsse mit „Wahrheit und Klarheit“ dargelegt werden, so das Gericht. Und vor allem dürfe die Kammer kein unzulässiges Vermögen anhäufen.

Das hat sie aber offenbar getan. Die „Betriebsmittelrücklagen“ der Pflegekammer betrugen im Jahr 2018 anscheinend 1,6 Millionen Euro – und 2019 sogar 2,8 Millionen Euro. Sie sollen jedoch zu keiner Zeit in Anspruch genommen worden sein. Auch eine Bedarfsprognose mit konkreten statt pauschalen Zahlen konnte nicht gesichtet werden.

In Folge der verfügbaren Eigenmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben hätte die Landespflegekammer von ihren Zwangsmitgliedern gar keine oder nur deutlich geringere Zwangsbeiträge verlangen dürfen. Entsprechend hat das Gericht der Pflegekammer sehr kritische Fragen gestellt. Schließlich legte der Vorsitzende Richter den Vertretern nahe, nicht auf ein Urteil zu beharren, sondern tunlichst sämtliche beklagte Beitragsbescheide der Jahre 2016 bis 2019 zurückzunehmen. Andernfalls habe die Beklagte kein für sie angenehmes Urteil zu erwarten, auch darauf wies der Richter hin. Die Vertreter der Landespflegekammer taten dann gut daran, nach sehr kurzer Beratungszeit dem richterlichen Rat zu folgen: Sie hoben alle angegriffenen Bescheide auf.

Der Bundesverband für freie Kammern e.V. (bffk) folgert am 08.11.2022 daraus: „Klar ist damit, dass alle Wirtschaftspläne bis einschließlich des Jahres 2019 so offenkundig rechtswidrig sind, dass eine Beitragserhebung zur Deckung der in den Wirtschaftsplänen bezeichneten Kosten ebenso rechtswidrig ist.“ Und weiter: „Da die vom Verwaltungsgericht Koblenz deutlich in Frage gestellte Rücklagenbildung der Pflegekammer bis ins Jahr 2022 andauert, bedeutet das Ende der Verfahren in Koblenz nichts weniger, als dass auch sämtliche Beitragsbescheide der Jahre 2020, 2021 und 2022 rechtswidrig sind.“

Was ist los mit der Landespflegekammer?
Eben nichts. Jedenfalls nichts Gutes, so sieht es der bffk: „An dieser Stelle muss die Frage nach der Übernahme von Verantwortung gestellt werden. An der Spitze der Pflegekammer steht ein Präsident, der seine Kammer nach außen wortmächtig und eitel vertritt, der aber ganz offenkundig nicht in der Lage ist, einen normalen sauberen Geschäftsbetrieb zu organisieren.“

In diesem Zusammenhang erinnert der bffk daran, dass die Kammer bereits im Jahr 2018 ihre Beitragsveranlagungen korrigieren musste, weil aufgefallen war, dass die durchgeführte Veranlagungen nicht konform mit den Bestimmungen der eigenen Beitragsordnung erfolgt sind. Zudem kritisiert der bffk, dass die rheinland-pfälzische Pflegekammer bis heute keinen geregelten Geschäftsbetrieb organisieren könne und es nicht einmal schaffe, von allen Mitgliedern gleichermaßen Beiträge zu erheben. Deswegen habe sie auch im hohen Millionenbereich Außenstände zu verzeichnen. „Ganz offenkundig sind die drei Hauptverantwortlichen (Präsident / Geschäftsführer / Verwaltungsleiter) ihrer Verantwortung und ihren Verpflichtungen seit Jahren strukturell nicht gerecht geworden“, so der bffk weiter. Dabei sei die Führung der Pflegekammer mehr als einmal auf Fehler und Versäumnisse aufmerksam gemacht worden. „Aber immer meinten die Mainzer Funktionäre, es besser zu wissen.“

Was sagt der DVLAB?
Aus Sicht des DVLAB, der in Landespflegekammern sowieso keinen Sinn sieht, weil sie für die Pflege ohnehin nichts Substanzielles tun können, müsste man sagen: In Rheinland-Pfalz hat die einzig reguläre Pflegekammer in Deutschland irregulär gearbeitet. Das wurde gerichtlich festgestellt. Wobei „arbeiten“ den Sachverhalt wohl kaum trifft angesichts der vielen Ungereimtheiten, die sich um die Kammer ranken. Und lediglich immer wieder gebetsmühlenartig nach weiteren Landespflegekammern zu verlangen, wie das der Kammerpräsident in Rheinland-Pfalz tut, aber selbst mit schlechtestem Beispiel voranzugehen, kann auch nicht als seriöse Arbeit bezeichnet werden.

Und wenn die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, dann auf der 44. Fortbildung für Pflegende in Kassel wie geschehen auch noch sagt: "Es ist völlig egal, ob Pflegende in Deutschland eine Kammer wollen oder nicht. Wir brauchen die Kammer für die Versorgung der Menschen." – dann erscheint das wie reiner Hohn.

Dazu der DVLAB Bundesvorsitzende Peter Dürrmann: „Auch im Oktober hatte der Deutsche Pflegerat anlässlich der Eröffnung des Deutschen Pflegetags in Berlin vernehmlich mal wieder die Errichtung von Pflegekammern in allen Bundesländern gefordert. Kurz danach kamen dann die schlechten Nachrichten aus Rheinland-Pfalz zur dortigen Pflegekammer. Das passt alles nicht zusammen."

Nach dem erzwungenen Scheitern der Kammern in Niedersachsen und Schleswig-Holstein – beide sind mittlerweile längst abgewickelt – habe jetzt auch die Pflegekammer von Rheinland-Pfalz eine äußerst schwierige, jedoch selbstverschuldete Situation zu verantworten, so Dürrmann. "Mich wundert daher nicht, dass der bffk seinem diesbezüglichen Beitrag den Titel Schlimmer Schiffbruch der Pflegekammer Rheinland-Pfalz beim Verwaltungsgericht gegeben hat. Und auch der Vincentz Verlag berichtet in diesem Tenor. Die Beiträge sprechen eine deutliche Sprache und zeigen, wie wichtig der Widerstand gegen die Zwangskammern weiterhin bleibt – möglicherweise auch seitens der BundesAltenhilfeVertretung (BAV), dem neuen Dachverband der Altenhilfe.“

Quellen: rechtsdepesche.de, bffk.de

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