„Ampel“-Koalitionsvertrag: Auch Fortschritt für die Langzeitpflege?


25.11.2021 - Nur wenige Wochen haben SPD, Grüne und FDP miteinander verhandelt, dann stand der Koalitionsvertrag der baldigen Bundesregierung. Jetzt müssen noch die jeweiligen Parteien ihren Segen dazu erteilen. Die „Ampel“ hat den Grundlagen ihres künftigen Handelns den Titel „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ gegeben. Welchen Fortschritt wollen die Koalitionäre für die Pflege?

177 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag. Das Kapitel „Pflege und Gesundheit“ ist darin auf den Seiten 80 bis 88 zu finden. Eingeleitet wird es mit diesem Absatz (Auszug): „Alle Menschen in Deutschland sollen gut versorgt und gepflegt werden – in der Stadt und auf dem Land. Wir wollen einen Aufbruch in eine moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik (…) Wir verbessern die Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe und Pflegekräfte. Wir ermöglichen Innovation und treiben die Digitalisierung voran. Grundlage für all dies ist eine auf lange Sicht stabile Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pflege.“

Es folgt der Abschnitt „Pflege“. Darin sind folgende Vorhaben skizziert:

▶︎ Es soll einen neuen Pandemie-Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen geben (dann steuerfrei bis 3.000 Euro). Der Bund will dafür eine Milliarde Euro aufwenden.

▶︎ Die Eigenanteile sollen „begrenzt und planbar“ werden. Die nach Aufenthaltsdauer im Heim gestaffelten Zuschüsse kommen ab 1. Januar 2022, weitere Absenkungsmöglichkeiten sollen „geprüft“ werden. Plan ist auch, die Ausbildungskostenumlage aus den Eigenanteilen herauszulösen.

▶︎ Versicherungsfremde Leistungen (z.B. Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, pandemie-bedingte Zusatzkosten) sollen künftig aus Steuermitteln finanziert werden.

▶︎ Die Behandlungspflege in der stationären Versorgung wird der GKV übertragen und pauschal ausgeglichen.

▶︎ Der Beitrag zur Sozialen Pflegeversicherung werde nur „moderat“ angehoben, verspricht die „Ampel“.

▶︎ Damit Bund, Länder und Kommunen innovative quartiersnahe Wohnformen fördern können, soll das SGB XI geändert werden.
Im Rahmen der Versorgungsverträge erhalten Kommunen künftig „verbindliche Mitgestaltungsmöglichkeiten“ bei der pflegerischen Versorgung vor Ort.

▶︎ Der bedarfsgerechte Ausbau der Tages- und Nachtpflege sowie insbesondere der solitären Kurzzeitpflege soll unterstützt werden.
Um u.a. die häusliche Pflege zu stärken, soll es ein flexibles Entlastungsbudget (mit Nachweispflicht) für Leistungen wie die Kurzzeit- und Verhinderungspflege geben. Diese werden zusammengefasst.

▶︎ Die neue Bundesregierung will „prüfen, die soziale Pflegeversicherung um eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung zu ergänzen, die die Übernahme der vollständigen Pflegekosten umfassend absichert“.

▶︎ „Schnell und spürbar“ sollen sich in der Pflege die Arbeitsbedingungen verbessern. Und zwar u.a. durch folgende Maßnahmen in der stationären Pflege: beschleunigter Ausbau der Personalbemessungsverfahren, verbesserte Löhne und Arbeitsbedingungen, Gehaltsangleichung zwischen Kranken- und Altenpflege. Und auch auf diese Weise soll der Pflegeberuf attraktiver werden: durch steuerbefreite Zuschläge, die Abschaffung geteilter Dienste, die Einführung trägereigener Springerpools, den Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten (wenn Kinder betreut werden müssen).

▶︎ Zur Ausbildungssituation hat sich die Koalition vorgenommen: „Wir harmonisieren die Ausbildungen u. a. durch bundeseinheitliche Berufsgesetze für Pflegeassistenz, Hebammenassistenz und Rettungssanitärer und sorgen für eine gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern.“ Zur Stärkung der akademische Pflegeausbildung sollen gemeinsam mit den Ländern „dort, wo Pflegefachkräfte in Ausbildung oder Studium bisher keine Ausbildungsvergütung erhalten“, Regelungslücken geschlossen werden. Und: „Professionelle Pflege ergänzen wir durch heilkundliche Tätigkeiten und schaffen u. a. das neue Berufsbild der ´Community Health Nurse`.“

▶︎ Außerdem: „Wir vereinfachen und beschleunigen die notwendige Gewinnung von ausländischen Fachkräften und die Anerkennung von im Ausland erworbener Berufsabschlüsse.“

▶︎ Darüber hinaus sollen professionell Pflegende bundesweit befragt werden, wie die Selbstverwaltung der Pflege in Zukunft organisiert werden kann.

▶︎ Für den DVLAB ist besonders interessant, was sich in den letzten beiden Zeilen im Abschnitt "Pflege" verbirgt: Die künftige Regierung will den Deutschen Pflegerat (DPR) „als Stimme der Pflege“ stärken und finanziell unterstützen.
Aus Sicht des DVLAB spricht der DPR jedoch nicht für die Langzeitpflege, wie sich u.a. an der Auseinandersetzung über die Einführung der Generalistischen Pflegeausbildung gezeigt hat. Wie kann der DPR da "Stimme der Pflege" sein, zu der ja wesentlich auch die Langzeitpflege gehört?

Hier der gesamte Koalitionsvertrag

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