LV Niedersachsen/Bremen: Eindrücke vom diesjährigen Ethik-Fachtag


01.10.2021 - „Altenpflege in der Krise: Ideen für eine ethische Weiterentwicklung“ – unter diesem Thema stand der diesjährige Ethiktag des DVLAB Niedersachsen/Bremen am 15. September 2021. Die traditionelle Fachveranstaltung wurde Pandemie-bedingt erstmalig rein online durchgeführt.

▸ FRAGE an den Mitorganisator Mark Stiemerling, stellvertretender Landesvorsitzender: Wie ist es gelaufen?

▶︎ STIEMERLING: Sehr gut – wobei die Teilnehmerzahl ruhig noch etwas größer hätte sein können.

▸ FRAGE: Woran hat's gelegen?

▶︎ STIEMERLING: Dass es am Ende trotz mehr Anmeldungen doch nur knapp 30 Teilnehmer*innen geworden sind? Na ja, vielleicht hat das auch mit einer gewissen Müdigkeit zu tun, die sich nach so vielen Videokonferenzen in den letzten eineinhalb Jahren auch in der Altenhilfe einstellen kann.

▸ FRAGE: Dabei hat Ihr Programm spannende fachliche Vorträge versprochen. Hat sich das erfüllt?

▶︎ STIEMERLING: Absolut! Wir hatten zum Beispiel den Vortrag "Die Krise der Altenpflege zwischen externen Rahmenbedingungen und internen Möglichkeiten" angekündigt und dafür den Gerontologen Prof. Dr. Maik Winter gewonnen. Er ist Direktor des Instituts für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung (IGVP) an der RWU – Hochschule Ravensburg Weingarten.
Prof. Winter berichtete von Herausforderungen, vor denen die Altenpflege steht – nicht nur aufgrund der Corona-Pandemie, aber teils dadurch noch verschärft. Er warnte beispielsweise vor der Gefahr, dass der ethische Kompass verloren gehen kann, wenn sich Krisenphänomene und Erschöpfungszustände als Normalzustand etablieren.

▸ FRAGE: An dieser Stelle setzte ja auch der nächste Vortrag "Ethik in der Altenpflege – Herausforderungen und Chancen" an. Hatten Sie dafür nicht den Pflegepädagogen Lutz Schütze von der Hochschule Hannover eingeladen?

▶︎ STIEMERLING: So ist es. Lutz Schütze plädierte dafür, dass das oberste Ziel einer Institution ihre Lebensdienlichkeit sein sollte – sowohl in Bezug auf die zu versorgenden Menschen als auch auf das Versorgungspersonal. Ich habe von diesem Referenten mitgenommen: Für uns Profis ist es wichtig, ethische Kompetenzen zu erwerben, zum Beispiel durch die Implementierung dezentraler Kommunikationsarenen in unseren Unternehmen mit niedrigschwelligen Zugangsmöglichkeiten. Hier müssen wir eine gemeinsame Sprache finden, auch uns selbst sowie andere für das Ethik-Thema sensibilisieren und uns dazu auch kontinuierlich aus- und fortbilden.

▸ FRAGE: Damit war der Tag ja schon mal gut eingeleitet und theoretisch unterfüttert. Wie sind auf dieser Basis nach der Mittagspause die Workshops verlaufen? Sie hatten den praktischen Austausch ja unter das Motto gestellt: "Altenpflege in der Krise – Wie äußert sich die Krise?
Was können wir vor Ort zur Weiterentwicklung von Altenpflege beitragen?"

▶︎ STIEMERLING: Also diese Diskussionsrunden waren wirklich sehr intensiv und spannend! Auch weil dabei doch recht unterschiedliche Blickwinkel eingenommen wurden und sich in Bezug auf wirkungsvolle Weiterentwicklungen auch unterschiedlich viel Hoffnung zeigte. Tatsächlich sind die Ergebnisse hier in Kürze kaum wiederzugeben, weil das Thema so komplex behandelt wurde und eine große Vielfalt an Meinungen und Perspektiven offenbar wurde.

▸ FRAGE: Dann kommen wir zum Programmpunkt "Perspektiven aus der Praxis"...

▶︎ STIEMERLING: ...die sich zum Teil als wahrer „Parforceritt“ durch verschiedene tolle Ideen erwiesen haben, wie einzelne Unternehmen sich um die Menschen vor Ort kümmern, mit welchen Maßnahmen positive Erfahrungen gemacht worden sind im Umgang mit Mitarbeitenden und Kundinnen/Kunden sowie mit ethischen Fragestellungen im Alltag.

▸ FRAGE: Dazu erfolgten drei jeweils 30-minütige Praxisimpulse – inkl. Vortrag, Fragen und Diskussion. Diskussion / Fragen. Welche Eindrücke hat das bei Ihnen hinterlassen?

▶︎ STIEMERLING: Na ja, aufgrund der Kürze der Zeit konnten viele Punkte nur angerissen werden. Aber trotzdem waren die Rückmeldungen im Nachgang aus der Teilnehmerschaft wirklich positiv. Zudem hatten die Vortragenden vorher darauf hingewiesen, dass sie für vertiefende Fragen auch noch später gern zur Verfügung stünden für den Fall, dass jemand einzelne Ideen auch für die eigene Umsetzung genauer prüfen möchte.

▸ FRAGE: Dann berichten Sie uns doch bitte kurz von den drei Impulsen.

▶︎ STIEMERLING: Gern. Den Anfang machte Andrea Kobialka. Sie ist
Referentin Personalpolitik und leitet das Projekt "Selbstorganisiert und motiviert!" beim Caritasverband Freiburg. Frau Kobialka berichtete uns davon, dass im Rahmen des Projektes in unterschiedlichen Settings – in der Jugendhilfe und in der ambulanten wie stationären Altenpflege – selbstorganisierte Teams etabliert werden. Dabei geht es u.a. um grundlegende Aspekte wie Vertrauen, Kommunikation, Befähigung und vor allem um Haltung in den Teams bzw. bei den einzelnen Handelnden.

▸ FRAGE: Im Anschluss folgte Manuela Garbrecht, die bei der St. Gereon Seniorendienste gGmbH in Hückelhoven Ausbildungskoordinatorin ist.

▶︎ STIEMERLING: Frau Garbrecht hat zum Thema "FEEL - GOOD – Wohlfühlkultur im Unternehmen" gesprochen. Das ist kein Zufall, denn die St. Gereon Seniorendienste haben regelmäßig bei der Mitarbeiterbewertung im Rahmen des „Great Place to Work“ Wettbewerbs die Nase vorn und sind hier auch beim Sonderpreis „Humor am Arbeitsplatz“ dabei. Dieses Unternehmen weist verschiedene Initiativen zum Wohle seiner Mitarbeitenden auf, die uns Frau Garbrecht ebenso vorgestellt hat wie ein besonderes Konzept für Auszubildende, das die zukünftige Mitarbeiterschaft und Fachlichkeit frühzeitig sichern soll.

▸ FRAGE: Den Schlusspunkt bei den Praxis-Impulsen hat dann Helmut Wallrafen gesetzt. Er ist ja nicht nur hauptamtlich Geschäftsführer der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach GmbH, sondern auch ehrenamtliches Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie.

▶︎ STIEMERLING: Das ist richtig. Für Herrn Wallrafen lag das Thema "Wertschätzen und Vorausschauen" entsprechend nahe. Und auch er hatte verschiedene Impulse aus seinem betrieblichen Alltag "in petto“, die uns Teilnehmer*innen auf dem Fachtag mit Ideen bereichert haben. Die Sozial-Holding Mönchengladbach ist nämlich viele spannende Wege sowohl mit Bewohner*innen in stationären Pflegeeinrichtungen als auch mit Mitarbeitenden gegangen. Von diesen Erfahrungen können wir alle profitieren.

▸ FRAGE: Vielen Dank für diese Eindrücke, Herr Stiemerling. Was wünschen Sie sich für Ihren nächster Ethiktag im Jahr 2022?

▶︎ STIEMERLING: Dass Corona nicht mehr das alles überschattende Thema sein wird – und unser nächsten Ethik-Fachtag wieder in Präsenz stattfinden kann. Was mir aber noch wichtig ist: Der DVLAB Niedersachsen/Bremen führt diesen Fachtag regelmäßig gemeinsam mit dem Zentrum für Gesundheitsethik in Hannover sowie der Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen durch. Ich bedanke mich ganz herzlich auch bei unseren Kooperationspartnern für die wie immer gute Zusammenarbeit!



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