Pflegereform: Effekt verpufft schon ab 2023


21.08.2021 - Die vor der Sommerpause beschlossene Pflegereform wird Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen nur sehr kurzfristig entlasten. Anschließend wird der von ihnen zu leistende Eigenanteil wieder steigen – und zwar noch über das schon heute zu hohe Niveau hinaus. Pflegebedingte Sozialhilfeabhängigkeit wird also keinesfalls verhindert, im Gegenteil.

Zu dieser Prognose kommt der Bremer Pflegeökonomen Prof. Dr. Heinz Rothgang in seiner aktuellen Expertise "Auswirkungen der Regelungen des GVWG auf die stationären Pflegekosten und ihre Aufteilung" im Auftrag der DAK-Gesundheit.

Die Modellrechnung ist im Prinzip ganz einfach und liegt in der Struktur der Pflegereform selbst, wie sie vom Juni 2021 im Rahmen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) verabschiedet wurde:
- Minderung der pflegebedingten Eigenanteile durch nach Aufenthaltsjahren in der Einrichtung gestaffelte Leistungszuschläge,
- stufenweise Einführung einer (bundes)einheitlichen Personalbemessung,
- Entlohnung der Pflegekräfte nach oder wie Tarif,
- die mangelnde Gegenfinanzierung.

Rothgang rechnet die Kernpunkte nun gegeneinander auf und legt mit seinen Ergebnissen die Finger in die Wunde: Die Leistungszuschläge können die reformbedingten Anstiege der Pflegesätze nicht kompensieren – geschweige denn die Eigenanteile senken oder begrenzen. "Praktisch wird zukünftig nun doch der größere Teil der Kosten für eine bedarfsgerechte Personalausstattung bei angemessener Bezahlung durch die Eigenanteilszahlungen der Pflegebedürftigen getragen. Dies führt zu einer mittelfristig weiter steigenden Anzahl von Pflegebedürftigen, die auf subsidiäre Sozialhilfeleistungen angewiesen sind", schreibt Rothgang.

Er kommt zu dem Schluss: Schon heute ist mehr als ein Drittel der stationär lebenden Pflegebedürftigen von Sozialhilfe abhängig. Der Anteil wird im Jahr 2021 das Rekordniveau von rund 35 Prozent erreichen – der höchste Wert seit Einführung der Pflegeversicherung Mitte der 1990er Jahre. Die Pflegereform führt nun dazu, dass im nächsten Jahr ein Rückgang verzeichnet werden kann. Der aber verpufft schon 2023 wieder, dann ist mit einem erneuten Anstieg der Sozialhilfequote zu rechnen. Sie wird nach Rothgangs Berechnung bereits ab 2024 die Quote von 2019 überschreiten. Dabei waren bereits die 2019er Zahlen übereinstimmend als viel zu hoch angesehen worden und hatten entsprechend die aktuelle Pflegereform angestoßen.

Und noch eine besorgniserregend Zahl aus Rothgangs aktueller Studie: In der Pflegeversicherung droht eine reformbedingte Deckungslücke von 1,1 Milliarden Euro, die 2025 auf voraussichtlich 3,5 Milliarden Euro steigen wird.

Fazit: Der Anstieg der Eigenanteile bleibt im freien Fall, Pflegebedürftigkeit auch in Zukunft ein unkalkulierbares Armutsrisiko. Deshalb MUSS eine nachhaltige Reform der Pflegeversicherung nach der Bundestagswahl auf Wiedervorlage, fordert der DVLAB.

Das hätte so nicht kommen müssen, denn es liegt seit Jahren eine nachhaltige Lösung auf dem Tisch – der Sockel-Spitze-Tausch: Die Pflegeversicherung übernimmt die Pflegekosten und berechnet dem Versicherten einen fixen begrenzten Eigenanteil. Für diese grundlegende Reform setzen sich der DVLAB und die Initiative Pro-Pflegereform schon lange ein. Die aktuellen Berechnungen von Heinz Rothgang unterstreichen das.

Hier die neue Rothgang-Expertise

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